Stellungnahme eines Zuschauers
„Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Sendung “Lokalzeit OWL” am 16. Mai 2012 hat das WDR-Fersehen einen Beitrag unter dem Titel “Radler kritisieren Polizeieinsatz” gesendet.
Die Polizei Kreis Gütersloh, vertreten durch Herrn Stehrenberg, erläutert in diesem Filmbericht den Fernsehzuschauern in allgemeiner Form (da ohne Beschreibung der konkreten Situation) rechtliche Grundlagen, damit jene den Schluss ziehen können, dass diese Grundlagen auch auf die konkrete Situation an der Gütersloher Stadtbibliothek anzuwenden seien.
Dazu trägt die Polizeibehörde vor, es sei nicht richtig, dass Gehwege als Gehwege gekennzeichnet werden müssten. Des weiteren teilt sie mit, es sei umgekehrt so, dass Radwege (so wörtlich) “konkret markiert und signalisiert werden müssen als Radwege”, und sie dann auch zu benutzen seien. Wenn dies (also die sichtbare Ausweisung als Radweg) nicht der Fall sei, seien grundsätzlich auch “rot markierte Flächen Fußgängerwege”.
Damit vermittelt der Filmbeitrag in einem zentralen Punkt, nämlich der Darstellung der rechtlichen Grundlagen, eine Fehlinformation.
Im Allgemeinen mag es nicht notwendig sein, Gehwege als solche zu kennzeichnen z.B. durch ein blaues Verkehrszeichen “Gehweg”. Anders ist es aber, wenn die konkrete Situation so unklar ist, dass den Verkehrsteilnehmern durch das Verkehrszeichen "Gehweg" bekannt gegeben werden muss, dass die Straßenverkehrsbehörde den fraglichen Weg als Gehweg qualifiziert hat (Hinweis auf § 45 Absatz 9 Straßenverkehrsordnung - StVO -).
Richtig ist, dass ein Radweg benutzt werden muss, falls er mit einem der drei blauen Verkehrszeichen "Radweg", "gemeinsamer Geh- und Radweg" oder "getrennter Geh- und Radweg" gekennzeichnet ist. Der gesendete Wortbeitrag der Polizei Gütersloh vermittelt jedoch mit der oben wiedergegebenen Passage den Eindruck, dass ein Radweg nur dann existiert, wenn er beschildert ist, so dass er nur dann benutzt werden darf und gleichzeitig auch benutzt werden muss.
Entgegen dieser Aussage ist es aber nicht zwingend, jeden Radweg auf diese Weise zu beschildern - im Gegenteil: Radwege sollen nur ausnahmsweise und bei Vorliegen besonderer Umstände als benutzungspflichtig beschildert werden. Bereits seit dem 1. September 1997 kennt die StVO den nicht (mit einem der genannten Verkehrszeichen) beschilderten Radweg, der folglich auch nicht benutzt werden muss, sondern benutzt werden darf. Die StVO lässt es nur ausnahmsweise zu, Radwege als benutzungspflichtig zu kennzeichnen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Grundsatzurteil vom 18. November 2010, das bundesweite Beachtung auch in den Medien gefunden hat, eingehend mit dieser Rechtslage auseinandergesetzt und die StVO korrekt und konsequent ausgelegt. Auch der WDR hat seitdem in zahlreichen Hörfunk- und Fernsehbeiträgen über dieses Thema informiert.
Ein nicht benutzungspflichtiger Radweg, der eben nicht beschildert ist und der auch nicht mit Markierungen (z.B. schlichten Fahrradpiktogrammen) versehen sein muss, kann danach nur anhand seiner baulichen Gestaltung erkannt werden. Das kann auch die Art der Pflasterung (z.B. rotes Pflaster) sein, besonders dann, wenn es üblich und verbreitet ist, Radwege auf eine bestimmte Weise (rot) zu pflastern. In OWL, NRW und auch darüber hinaus, ist es weit verbreitet, Radwege rot zu pflastern. Der Filmbeitrag zeigt, dass das auch in Gütersloh der Fall ist.
Damit ist es entgegen der polizeilichen Darstellung eben nicht “grundsätzlich” so, dass “rot markierte Flächen Fußgängerwege” sind. Es ist im übrigen auch nicht so, dass jeder Weg, der nicht als Sonderweg beschildert ist, damit automatisch zum Gehweg wird.
Konkret bezogen auf die Situation in Gütersloh (die ich nicht aus eigener Anschauung kenne) könnte das heißen:
Radfahrer fahren zunächst auf einem als benutzungspflichtig beschilderten roten Radweg, der neben einem grau gepflasterten Fußgängerbereich verläuft. Der rote Radweg mündet in einem stetigen Bogen auf eine rot gepflasterte Fläche. Ein Schild “Gehweg” gibt es hier ebenso wenig wie ein Schild “Radweg” mit dem Zusatzzeichen “Ende”, das den fraglichen Bereich an der Stadtbibliothek erkennbar qualifiziert. Hier wäre es nicht offensichtlich, dass der Radfahrer sich nicht mehr auf einem benutzungspflichtig beschilderten Radweg befindet.
Alternativ: Wenn der rote Radweg nicht in einem stetigen Bogen auf eine rot gepflasterte Fläche münden würde, sondern mit einem deutlichen Abknicken, könnte man eher annehmen, dass der bisherige benutzungspflichtige Radweg hier, d.h. in Richtung Stadtbibliothek, zu Ende sei. Gleichwohl könnte es sich bei dem rot gepflasterten Weg um einen nicht benutzungspflichtigen Radweg handeln, der benutzt werden darf.
Im Ergebnis ist die Situation mindestens unklar gestaltet. Es mag sein, dass die Straßenverkehrsbehörde den fraglichen Weg vor der Stadtbibliothek als Gehweg ansieht. Sie hat es aber versäumt, dies den Verkehrsteilnehmern auch bekannt zu geben, z.B. durch die Verkehrszeichen “Gehweg” oder “Radweg” und “Ende” oder durch markierte Pfeile, die den weiteren Verlauf des vorhandenen Radweges anzeigen. So aber hat sie einen verkehrsrechtlichen Rätselparcours geschaffen.
“Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” - das gilt aber nur dann, wenn den Verkehrsteilnehmern die beabsichtigte Regelung überhaupt erst einmal bekannt gegeben worden ist. Wenn - hypothetisch - sich ein Richter mit der konkreten Situation in Gütersloh im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu beschäftigen hätte, und er selbst erst einmal eine Viertelstunde darüber nachdenken müsste, welche Verkehrsregelung hier eigentlich gewollt ist, kann man nicht von einem “normalen” Verkehrsteilnehmer erwarten, dass er sich “richtig” im Sinne der beabsichtigten Verkehrsregelung verhält. Es wäre davon auszugehen, dass ein eventueller Bußgeldbescheid aufgehoben werden würde.
Somit sind gebührenpflichtige Verwarnungen oder die Verhängung von Bußgeldern an dieser Stelle mehr als fragwürdig. Gerechtfertigt wären sie, wenn z.B. die Radfahrer gleichzeitig Fußgänger behindert oder gefährdet hätten - dann aber nur aus diesem Grunde.
Ich rege an, dass Sie die unzutreffende öffentliche Darstellung, dass Radwege “konkret markiert und signalisiert werden müssen”, und wenn dies nicht der Fall sei, grundsätzlich auch “rot markierte Flächen Fußgängerwege” seien, in geeigneter Weise richtig stellen.
Ferner rege ich an, dass Sie auf die Straßenverkehrsbehörde einwirken, um eine Lösung zu schaffen, die von normal begabten Verkehrsteilnehmern spontan verstanden werden kann.
Mit freundlichen Grüßen“