Hintergrundinformationen zur ADFC-Mängeldatenbank

Radfahrer fahren auf der Fahrbahn am sichersten

Innerorts ist es normalerweise am sichersten, wenn sich Radfahrer direkt im fließenden Verkehr auf der Fahrbahn bewegen. Die jahrzehntelang betriebene Praxis, Radfahrer auf separate Hochbordradwege zu schicken, hat sich im Vergleich zum Mischverkehr auf der Fahrbahn als deutlich unsicherer erwiesen. Durch die Führung von Radfahrern auf separaten Wegen bewegen Sie sich oft außerhalb des Sichtfelds der Fahrbahn. Insbesondere aufgrund der innerorts zahlreich vorhandenen Einmündungen ist dies gefährlich, da Radfahrer von rechtsabbiegenden Kraftfahrzeugen häufig übersehen werden.

Die Polizei Gütersloh hat für den Bereich des Kreises Gütersloh zahlreiche Unfälle dokumentiert, bei denen in der Regel ein Kraftfahrzeug rechts abbiegt und einen auf dem Radweg fahrenden Radfahrer „übersieht“. Auch betroffen sind Radwege, die der ADFC Gütersloh in seiner Mängeldatenbank aufgeführt hat, wie die Carl-Miele-Straße.

„Am 22.11.2010 kam es auf der Carl-Miele-Straße in Gütersloh zu einem schweren Verkehrsunfall. Um 08.05 Uhr war ein 31-jähriger Mann mit seinem Fahrrad auf der Carl-Miele-Straße aus Richtung Annenstraße in Fahrtrichtung Marienstraße unterwegs. […] Als sich der Gütersloher in Höhe der Luisenstraße befand, wurde er von einem Bus erfasst, dessen 32-jähriger Fahrer in gleicher Fahrtrichtung unterwegs war und hier nach rechts abbiegen wollte. Dabei geriet der Vater mit seinem Rad unter den Bus und wurde mitsamt der Tochter durch das rechte Hinterrad des Busses mehrere Meter mitgeschleift.“ Quelle: Polizei Gütersloh, 22.11.2010

Im Februar 2012 gab es erneut einen schweren Abbiegeunfall in Gütersloh.

„Freitagmittag (10.02.) gegen 13.40 Uhr war ein 24-jähriger Fahrer einer Firma aus Georgsmarienhütte mit einem Lkw mit Anhänger auf dem Stadtring Sundern unterwegs. An der Ampelkreuzung der Carl-Bertelsmann-Straße bog der 24-Jährige nach rechts ab. Dabei kam es zur Kollision mit einem 45-jähriger Radfahrer aus Gütersloh, der den rechten Radweg des Stadtrings Nordhorn in gleicher Fahrtrichtung befuhr und die Carl-Bertelsmann-Straße auf der Radfahrerfurt geradeaus überqueren wollte. Der 45-Jährige geriet unter den Lkw und wurde etliche Meter mitgeschleift. Dabei erlitt er so schwere Verletzungen, dass der alarmierte Notarzt nur noch den Tod des Gütersloher feststellen konnte.“ Quelle: Polizei Gütersloh, 10.02.2012

Der Gesetzgeber hat bereits vor vielen Jahren erkannt, dass das Befahren der Fahrbahn sicherer ist. Im Rahmen einer Novelle der Straßenverkehrsordnung im Jahr 1997 wurde das Befahren der Fahrbahn als Regelfall gesetzlich festgelegt. Demnach sind nur noch solche Radwege benutzungspflichtig, die durch eines der Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet sind.

Zeichen 237: Radweg

Zeichen 240: kombinierter Rad- und Gehweg

Zeichen 241: getrennter Rad- und Gehweg

Zeichen 237:
Radweg

Zeichen 240:
kombinierter Rad- und Fußweg

Zeichen 241:
getrennter Rad- und Fußweg

Zudem wurde die Anordnung von Benutzungspflichten an strenge Maßstäbe geknüpft. Unter anderem bedeutet dies:

In Tempo-30-Zonen darf es keine benutzungspflichtigen Radwege geben

Im Kreis Gütersloh gibt es an zahlreichen Straßen benutzungspflichtige Radwege, die sich in Tempo-30-Zonen befinden. Beispiele hierzu sind die in der Mängel-Datenbank des ADFC dokumentierten Radwege an der Eickhoffstraße in Gütersloh oder in Verl an der Eiserstraße. Laut §45 Abs. 1c StVO ist dies jedoch nicht zulässig:

„Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf [...] nur Straßen ohne [...] benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen.“

Der ADFC Gütersloh hat die Stadt Gütersloh bereits vor mehreren Jahren auf benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen hingewiesen, die sich in Tempo-30-Zonen befinden. In diesem Zusammenhang wurden u.a. Radwegebenutzungspflichten an der Emilienstraße, Am Schlangenbach und Ahornallee aufgehoben. Eine erneute Kontaktaufnahme zu diesem Thema gab es im September 2011 anlässlich der Übergabe von 35 Mangelmeldungen an die Stadt Gütersloh. In Folge dieser Übergabe und weiteren Gesprächen mit der Stadt wurde die Benutzungspflicht u.a. an folgenden Straßenzügen aufgehoben:

Die Anordnung von Benutzungspflichten ist nur als Ausnahme möglich

Der Gesetzgeber hat in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO festgelegt, dass „… insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden (dürfen), wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt“.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. November 2010 höchstrichterlich bestätigt, dass eine Radwegebenutzungspflicht nur angeordnet werden darf, wenn aufgrund der speziellen örtlichen Verkehrssituation eine erhebliche Gefährdung für die Radfahrer besteht und Radfahrer im Regelfall auf die Fahrbahn gehören. Die Anordnung von Benutzungspflichten muss demnach also auch im Einzelfall begründet werden können.

Linksseitige Radwege sind besonders gefährlich

Insbesondere linksseitige Radwege entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung sind gefährlich, da es hier noch häufiger zu Unfällen kommt, als bei Radwegen, die nur in Fahrrichtung freigegeben sind. Laut Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), zu § 2, Rand-Nr. 33 ist die Benutzung von in Fahrtrichtung links angelegten Radwegen in Gegenrichtung „insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften mit besonderen Gefahren verbunden und soll deshalb grundsätzlich nicht angeordnet werden.“

Übergangsfrist verstrichen

Den Verwaltungen wurde eine Übergangsfrist zur Überprüfung bestehender Radwegebenutzungspflichten eingeräumt, um diese an die neue Rechtslage anzupassen. Diese Übergangsfrist ist nun jedoch seit über zehn Jahren verstrichen und noch immer befinden sich Radwege in Gütersloh, die der Gesetzeslage nicht entsprechen.

Die Forderung des ADFC

Radverkehr sollte, wenn irgendwie möglich, im Mischverkehr auf der Fahrbahn geführt werden. Bei hoher Verkehrsbelastung oder mehrspurigen Fahrbahnen ist die Abmarkierung von Radfahrstreifen auf der Fahrbahn der Anlage von separat geführten Radwegen in Hochbordausführung vorzuziehen. Linksseitige Radwege sind besonders gefährlich. Innerorts darf es linksseitig angeordnete Benutzungspflichten nach Meinung des ADFC nur bei sehr starkem Verkehrsaufkommen und gleichzeitig begrenzten Platzverhältnissen als absolute Ausnahme geben.

Die Aufhebung von Benutzungspflichten ist ein erster, begrüßenswerter Schritt. Begleitet werden sollte dieser Schritt aber immer auch durch aktive Öffentlichkeitsarbeit der Kommunen, um den Verkehrsteilnehmern die neue Situation und die Hintergründe für die Aufhebung zu erläutern. Hier bietet der ADFC selbstverständlich Unterstützung an. Neben Medienarbeit können auch Schilder diese Aufklärungsarbeit unterstützen. Die Städte Köln und Paderborn nutzen beispielsweise das unten aufgeführte Schild, um sowohl Autofahrer als auch Radfahrer auf die neue Situation aufmerksam zu machen.

Benutzungspflicht aufgehoben! Radverkehr auf der Fahrbahn zulässig! Foto: ADFC Köln

Radwege in Hochbordausführung sind nachgewiesen unsicher und nicht mehr zeitgemäß. Sie dürfen nicht mehr neu gebaut werden. Wenn Radwege neu gebaut werden, müssen die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Dies bedeutet in der Regel der Verzicht auf eine Benutzungspflicht, so dass der Radfahrer die Wahl hat, die Fahrbahn oder den Radweg zu benutzen.

Die Oberfläche – Nicht nur eine Komfortfrage

In den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (ERA, Ausgabe 2010) heißt es:

„Die Qualität der baulichen Ausführung ist wichtig für Verkehrssicherheit und Fahrkomfort auf Radverkehrsanlagen. Grundsätzlich soll dem Radverkehr in Bezug auf Linienführung, Oberfläche, Gradiente und Freihaltung des Lichtraums [...] mindestens die gleiche Qualität angeboten werden, wie sie sich für die Fahrbahngestaltung etabliert hat. Auch bei Bauüberwachung und -abnahme ist deshalb sicherzustellen, dass die speziellen Anforderungen des Radverkehrs berücksichtigt werden.“

Insbesondere bei der Oberfläche sieht der ADFC im Kreis Gütersloh Nachholbdarf. In der Kreisstadt Gütersloh sind bestehende Radwege im Normalfall mit einer Oberfläche aus Betonpflastersteinen ausgestattet. Diese Oberflächengestaltung hat gegenüber einer Oberfläche aus Asphalt verschiedene Nachteile, durch die das Radfahren weniger attraktiv wird. Insbesondere bei benutzungspflichtigen Radwegen ist eine adäquate Oberflächenausführung erforderlich, da der Radfahrer hier nicht auf die sich in aller Regel in einen deutlich besseren Zustand befindliche Fahrbahn ausweichen kann.

Energieaufwand

Unterschiedliche Oberflächen haben unterschiedliche Rollwiderstände. Durch einen erhöhten Rollwiderstand steigt der Energieverbrauch bzw. der Kraftaufwand beim Radfahren, der Einsatzbereich bzw. die Reichweite sinken dementsprechend. Je glatter die Oberfläche ist, desto geringer ist typischerweise der Rollwiderstand und der Energieaufwand.

Art des Radwegs

Material

Eigenschaft

Energieverbrauch

Reichweite

Straßenqualität

Feinasphalt

Straßenfertiger

100%

100%

"Radwegequalität"

Feinasphalt

Walze

120%

70%

"Radwegequalität"

Betonverbundpflaster

ungefast

130%

60%

"Radwegequalität"

Betonverbundpflaster

gefast

140%

50%

wassergebunden

feines Material

 

150%

45%

wassergebunden

grobes Material

 

200%

25%

Quelle: Umwelt- und Prognose-Institut e.V. - http://www.upi-institut.de/upi41.htm

Das in Gütersloh weit verbreitete gefaste Betonverbundpflaster verursacht einen 40% höheren Energieaufwand gegenüber einer mit einem Straßenfertiger hergestellten Asphaltoberfläche. Dementsprechend halbiert sich die Reichweite, die ein Radfahrer mit demselben Energieaufwand zurücklegen kann gegenüber dem Befahren einer Asphaltoberfläche.

Komfort

Neben dem Energieaufwand spielen auch Erschütterungen beim Radfahren eine erhebliche Rolle. Viele Fahrräder sind im Unterschied zu Kraftfahrzeugen kaum oder gar nicht gefedert. Dennoch mutet man Radfahrern Radwege mit Fugen zu, die kein Autofahrer auf Dauer mit seinem vollgefederten Auto befahren möchte.

Besonders schlecht werden solche Radwege spätestens nach dem ersten Aufnehmen des Pflasters. Ein Beispiel für so eine schlechte Oberfläche lässt sich am Stadtring Kattenstroth finden.

Sicherheit

Eine schlechte Oberfläche führt dazu, dass das Risiko für Alleinunfälle steigt, dies gilt insbesondere bei Dunkelheit oder Nässe, wo Unebenheiten aufgrund der schwachen Fahrradbeleuchtung nur schwer erkennbar sind. Fahrräder sind mit ihren schmalen Reifen anfällig für Längsrillen, was die Gefahr des Einspurens mit sich bringt. Da Radfahrer ständig unwillkürliche Lenkbewegungen zur Stabilisierung unternehmen, ist das Einspuren gefährlich und hat oft Stürze zur Folge.

Aufgrund der mangelnden Federung geben auch Querrillen oder Quererhebungen, z.B. durch Wurzelanhebungen, Schläge oft ungefiltert an den Fahrer durch. Auch dies kann zu Stürzen führen, insbesondere wenn die Schläge überraschend kommen.

Kosten

Laut verschiedenen Quellen ist eine hochwertig hergestellte Oberfläche aus Asphalt im Bau günstiger als eine Oberfläche aus Betonpflaster. Auch im Unterhalt kostet eine Asphaltoberfläche nicht mehr als eine Oberfläche aus Beton.

Art des Radwegs

Baukosten je km
(Breite 2 m)

Unterhaltskosten
(je km und Jahr)

Asphalt

90.000 €

300 €

Betonverbundpflaster

165.000 €

300 €

wassergebunden

40.000-50.000 €

3.000 – 5.000 €

Quelle: Ingenieurbüro für Straßen- und Tiefbauplanung Lehmann GmbH (2008):
Planung und Realisierung

Die Forderung des ADFC

Der ADFC fordert, bei jedem Neu- oder Umbau von Radverkehrsanlagen den Einbau von Asphalt zu prüfen, falls keine Führung über die Fahrbahn möglich sein sollte. Asphaltoberflächen sind für Radfahrer mit deutlich weniger Energieaufwand befahrbar und durch weniger Erschütterungen viel komfortabler. Hierdurch wird das Radfahren attraktiver gemacht, was sich positiv auf den Radverkehrsanteil auswirkt.

Der vermeintliche Vorteil von Betonpflaster, die leichtere Aufnahme im Fall von Arbeiten an Versorgungsleitungen, ist spätestens beim Wiedereinbau der Steine hinfällig, da sich die Oberfläche danach in der Regel in einem schlechten Zustand befindet. Der Kostenvorteil bei der Neuanlage einer Asphaltoberfläche erscheint so deutlich, dass sich selbst eine Neuasphaltierung im Falle von Arbeiten an Versorgungsleitungen „lohnt“.

Hinweis an die Presse

Die Mängel-Datenbank des ADFC Gütersloh ist auch über die kurze URL http://www.adfc-guetersloh.de/maengel-db/ erreichbar. Bitte benutzen Sie diese leichter einzugebende URL, um Ihre Leser auf die Mängel-Datenbank hinzuweisen.

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